Schale der Liebe
Wenn du vernünftig bist, erweise dich als Schale und nicht als Kanal, der fast gleichzeitig empfängt und weitergibt, während die Schale wartet bis sie gefüllt ist.
Auf diese Weise gibt sie das, was bei ihr überfliesst, ohne eigenen Schaden weiter. Lerne auch du nur aus der Fülle auszugiessen, und habe nicht den Wunsch freigiebiger zu sein als Gott.
Die Schale ahmt die Quelle nach. Erst wenn sie mit Wasser gesättigt ist, strömt sie zum Fluss, wird sie zur See.
Du tue das Gleiche! Zuerst anfüllen und dann ausgiessen.
Die gütige und kluge Liebe ist gewohnt überzuströmen, nicht auszuströmen. Ich möchte nicht reich werden, wenn du dabei leer wirst.
Wenn du selber nämlich mit dir schlecht umgehst, wem bist du dann gut? Wenn du kannst, hilf mir aus deiner Fülle; wenn nicht: Schone dich.
Bernhard von Clairvaux
Mehrzeiliger
Herbstzeit – Zeit zum Innehalten
Wenn sich das Reblaub goldig und rot färbt, die Trauben prall und saftig werden und Stare in Formationsflug über den süssen Früchten kreisen, dann schleicht sich langsam aber sicher der Herbst an. Die Zeit der Lese naht, die Tage werden kürzer, unter den Füssen raschelt immer mehr Laub.
Einhalten – die Natur hält ein. Die Kraft ist erschöpft, die Pflanzen ziehen ihre Säfte in die Wurzeln zurück und werfen ihre Früchte ab.
Die Natur hält ein, um tief im eigenen Kern die Kraft zu konzentrieren, damit sie den Winter übersteht und im Frühling erwachen und neues Leben schenken kann.
Bei uns ist es etwas anders. Wir haben isolierte Gebäude, geheizte Büros, Licht in der Stube, Funktionskleidung, rund um die Uhr digitale Verbindung, sind jederzeit einsetzbar und erreichbar.
Wie gut würde da ein Herbst des Rückzugs und ein Winter der Ruhe tun, um neue Kraft und Inspiration zu finden! Einhalten, wie die Natur, Erlebtes wirken lassen, dankbar werden, Vertrauen schöpfen, Hoffnung einziehen lassen.
Vielleicht animiert uns der Herbst, wieder einmal neu Wert zu legen auf Ruhepausen, auf Zeiten des Innehaltens und der Besinnung? In uns gehen, uns auf das Wesentliche besinnen, Tiefe ausloten, Christus begegnen.
Bernhard von Clairvaux, ein Heiliger des 11./12. Jahrhunderts aus dem Burgund, fand eindrückliche Worte dafür, wie wichtig dieses Innehalten ist. Einen Text von ihm gebe ich Ihnen gerne mit in den beginnenden Herbst. Vielleicht inspiriert er Sie in einer ruhigen Minute?
Bernadette Peterer
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