Hoher Besuch aus Rom in Bern

Kardinal Mario Grech, Generalsekretär der weltweiten Bischofssynode, kam nach Bern, um über Synodalität zu sprechen. Beim Austausch wurde spürbar, wie weit die Weltkirche von den Anliegen der Schweizer Kirche entfernt ist.

«Ich würde lieber über Mission sprechen als über Synodalität», sagte Kardinal Mario Grech in seiner Eingangsrede. Der Generalsekretär der Bischofssynode war eingeladen von den Schweizer Synodenteilnehmenden, um sich mit Vertreter*innen der katholischen Kirche Schweiz über Synodalität auszutauschen. Tatsächlich sprach er vor den rund 60 Anwesenden viel von «Feuer», «Mission» und «Evangelisation». Eine synodale Kirche sei «eine Kirche mit Einsatz für die Mission». Letzteres bedeute: «Den Menschen helfen, Jesus zu begegnen, mit Jesus in Kontakt zu treten.» Geführt werden soll dieser Prozess durch den Heiligen Geist. Von diesem war in Grechs Ansprache viel die Rede. Synodalität bedeute, «dass der Heilige Geist präsent ist in allen Getauften».

Ohne Bischof keine Synodalität
Dennoch ist für den Generalsekretär der Weltsynode klar: «Es gibt keine synodale Kirche ohne einen Bischof», und der Prozess verlaufe «unter der Leitung der Priesterschaft». Denn Aufgabe der Bischöfe sei es, «der Gemeinde zu helfen, die Stimme Gottes zu unterscheiden.» 
Die Rede löste bei nicht wenigen Teilnehmenden Irritation aus. «Mission und Evangelisation sind für mich schwierige Begriffe», sagte die Luzerner Synodalrätin Renata Asal-Steger gegenüber dem Pfarreiblatt. «Es muss eine Freiheit da sein, zum Glauben zu kommen. Glaube kann man nicht überstülpen.» 

Kluft zwischen Rom und Bern
Wie gross die Kluft zwischen Grechs Worten und den brennenden Fragen der Schweizer Kirchenvertreter*innen ist, wurde am Nachmittag deutlich, insbesondere, als es um die Gleichberechtigung der Frauen und um demokratische Strukturen ging. Das Plädoyer für die Teilhabe von Frauen an Diensten, Ämtern und Entscheidungsprozessen – eindringlich vorgebracht von Priorin Irene Gassmann – beantwortete der Kardinal mit dem Hinweis, die Kirche müsse «tiefgreifend theologisch nachdenken, wie wir Räume schaffen für den Beitrag, den Frauen der Kirche bringen können». Eine Aussage, die bei manchen Anwesenden ein Kopfschütteln auslöste. Insgesamt «vermisse ich in den Statements, die ich heute gehört habe, die Spiritualität», fasste der römische Kardinal seinen Eindruck des Nachmittags zusammen. 

Den Geist ernst nehmen
Dass er damit den Anwesenden das «Katholisch-Sein» quasi absprach, kam nicht bei allen gut an. «Das hat mich persönlich verletzt», sagt Asal-Steger. «Das Feuer, von dem er immer sprach, das in uns brennen soll, hat er uns ein Stück weit abgesprochen. Ich hätte eine andere Offenheit erwartet.» Bischof Gmür dankte Mario Grech abschliessend für sein Kommen. «Du hast gehört, was uns unter den Nägeln brennt. Auf diese Fragen brauchen wir Antworten!»

Sylvia Stam/Red., 10.04.2024
(Der Artikel erschien am 20.3. im Pfarrblatt Bern.)


Papst garantiert richtige Erkenntnis

Interview mit Kardinal Mario Grech

Ist Synodalität in einem hierarchischen System wie der katholischen Kirche überhaupt möglich? 
Natürlich. Die Kirche ist von ihrer Verfassung her synodal und hierarchisch. Das geht zusammen. Die Hierarchie kann ihre Aufgabe nicht erfüllen, wenn sie keine Synodalität praktiziert. Kirche funktioniert nicht, wenn die, die verantwortlich sind für die Kirche, dem Heiligen Geist nicht zuhören, der im Volk Gottes präsent ist. 

Viele Gläubige haben den Eindruck, beim synodalen Prozess sei immer von Zuhören die Rede, entschieden wird dann aber doch in Rom. 
(lächelt) Das stimmt nicht. Synodalität umfasst die gesamte Kirche. Es gibt die diözesane Ebene und ich würde auch die Ebene der Pfarreien dazuzählen. Selbst ein Pfarrer muss synodal sein. Daher gibt es einen Pfarreirat und auf diözesaner Ebene den Bischofsrat. Wenn ein Bischof nicht zuhört, dann wird er seine Mission nicht erfolgreich durchführen können. Aber es gibt Themen, die die Gesamtkirche betreffen. Wir sind gesegnet, dass wir das petrinische Prinzip mit dem Papst haben, das sicherstellt, dass unsere Erkenntnisse richtig sind.

Gläubige in den Pfarreien haben das Interesse am synodalen Prozess verloren. Sie haben vor drei Jahren an einer Umfrage teilgenommen und sehen keine Veränderung. Wie kann der Prozess an der Basis spürbar werden?
Auch hier habe ich eine andere Meinung. Der Prozess läuft noch. Wir wären heute nicht da, wo wir sind, wenn wir vor zwei Jahren nicht dem Volk Gottes zugehört hätten. Es hat einen Effekt. Letzte Woche hat der Heilige Vater bereits zehn Themen ausgewählt, die von Kommissionen weiterbearbeitet werden und die dem Papst bis Juni 2025 Antworten liefern sollen. Wir ernten bereits die Früchte des Prozesses.

Interview: Annalena Müller, Sylvia Stam/Red.

 

Kardinal Mario Grech während seines Besuchs in Bern
Quelle: Stefan Maurer
Kardinal Mario Grech während seines Besuchs in Bern