Gedankensplitter – Fronleichnam: Bewegt-Sein jenseits aller Folklore

Kürzlich hat mich ein Pfarreiangehöriger begeistert auf das besondere Fronleichnamsfest im nahen Hüfingen (D) aufmerksam gemacht. Diese «schönste Fronleichnamsprozession im Schwarzwald» ist für ihren bunten Blumenteppich weit über die Region hinaus bekannt. Auch die Prozessionen in Appenzell und in Fribourg locken am «Fête-Dieu» bzw. am «Herrgottstag» jeweils Tausende von Schaulustigen an – von den Tourismusverantwortlichen erfolgreich vermarktet. Selber erinnere ich mich an den farbenfrohen Zug durchs Dorf meiner Kindheit mit Kreuz und Fahnen, Monstranz und «Himmel» (Baldachin), voraus die Kommunionkinder, am Schluss die Musikgesellschaft. Hier, wie vielerorts, ist aus der eindrücklichen Prozession mit strikter Ordnung längst ein bescheidener Umzug in «loser Formation» geworden, Kreuz, Fahnen und Baldachin sind verschwunden … Geblieben aber ist die sicht- und hörbare Erfahrung: Wir – die Gemeinde, die Kirche, das Volk Gottes – sind auf dem Weg!

Das Auf-dem-Weg-Sein gehört zur «DNA» unserer Kirche: von Einzug und Kommuniongang in der Liturgie über Bittgänge und Flurprozessionen, Kreuzwegandachten und Karfreitagsprozessionen bis zu Wallfahrten und Pilgerreisen … Alle diese geistlichen und liturgischen Bewegungsformen mögen uns immer wieder in Erinnerung rufen, dass unser je eigenes, ganz persönliches Christ-Sein genauso wie unser gemeinsames, gemeinschaftliches Kirche-Sein nie Stillstand, Beharren oder gar Erstarren sein sollten, sondern von Dynamik und Entwicklung geprägt sein möchten – und damit auch von Veränderung(en). Die Begriffe «Prozess» und «Prozession» kommen übrigens vom lateinischen Verb «procedere», das u.a. voranschreiten und vorankommen bedeutet.

Am Anfang dieses steten geistlich-geistigen In-Bewegung-Seins steht das Pfingstwunder: Wie die ersten Jüngerinnen und Jünger will Gottes Geistkraft auch uns befähigen, unsere Existenz genauso wie die Wirklichkeit der Welt nicht nur passiv hinzunehmen und zu erdulden, sondern aktiv (mit) zu gestalten – gerade durch unser Bewegt-Sein, im doppelten Sinn!

Boris Schlüssel, Kaplan

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Quelle: Pixabay