Ramsens Kleindenkmäler

Im östlichen Zipfel des Kantons Schaffhausen, auf dem Gemeindegebiet von Ramsen, befinden sich 14 Feldkreuze. Sie werden heute von einer Stiftung betreut.

Die konfessionelle Sonderstellung hat wohl dafür gesorgt, dass Ramsen die einzige Gemeinde im reformierten Kanton Schaffhausen ist, die auf ihrem Gemeindegebiet über 14 Feldkreuze verfügt. Acht davon gehören der katholischen Kirchgemeinde, die übrigen sechs sind in privaten Händen. «Obschon sich der Grossteil der Bevölkerung Ramsens zur Zeit der Reformation für den neuen Glauben aussprach, setzte die österreichische Herrschaft durch, die Konfession zu bestimmen, sodass Ramsen katholisch blieb», erläutert Michael Truniger. Er ist in Ramsen aufgewachsen, Mesmer der katholischen Kirche und Architekt. Im Kirchenstand ist er zuständig für Liegenschaften sowie fürs Vizepräsidium und ist Stiftungsrat der Stiftung Feldkreuze.

Monatsprozessionen
«Vor 40, 50 Jahren gab es im Sommer jeden Monat eine Bittprozession zu einem der Kreuze», erzählt Michael Truniger. Die Menschen zogen den Hut vor einem Feldkreuz oder sprachen ein Gebet. Heute gibt es noch zwei Prozessionen: eine zu Fronleichnam und eine an Auffahrt. Auf der Route der Fronleichnamsprozession gibt es zwei Stationen, eine davon befindet sich bei einem Feldkreuz. Die Stationen werden mit Heiligenbildern verschönert, die ursprünglich Privaten gehörten, aber der Kirchgemeinde anvertraut worden sind. An Fronleichnam werden sie hervorgeholt, an der Strasse aufgestellt und mit prächtigem Blumenschmuck versehen.

Dank oder Bitte um Schutz
Eines der ältesten Feldkreuze datiert von 1848. Es hat zwei Buchstaben eingraviert, ein K und ein S. Michael Truniger erklärt: «Es wird vermutet, dass es sich um ein Dankeskreuz für den erfolgreichen Friedensschluss nach dem Sonderbundskrieg von 1847 handelt.» Der als S gedeutete Buchstabe wird dem Namen Sätteli zugeordnet, einem typischen Ramser Geschlecht, und das K steht für Konrad. Ein anderes Kreuz steht im Hofenacker auf privatem Grund und gehört zum Hof von Josef Schmid, dem Präsidenten des Kirchenstandes. Es könnte als Dank gedeutet werden dafür, dass der Hof verschont geblieben ist während der Maul- und Klauenseuche. Diese wütete immer wieder verheerend zwischen 1871 und 1965. Die Vermutungen zeigen: Es ist nicht gesichert, weshalb die Ramser Bevölkerung diese Kreuze errichtet hat. Es könnte als Dank sein für erhaltene Hilfe oder als Bitte zur Abwendung von Gefahren und Unwettern, zum Schutz von Feldern, Mensch und Tier. 

Vielfältige Kreuze
Die meisten der Kreuze bestehen aus Stein, weshalb sie recht gut erhalten sind. Es gibt zwei reine Holzkreuze. Eines davon steht im Gebiet Puppelroo und wurde in den 1930er-Jahren von der Jungmannschaft aufgestellt, einer Vorläuferorganisation der Jungwacht. Es gibt aber auch Kreuze, die aus Stein sind und einen gekreuzigten Jesus aus Holz haben. Ein schönes Exemplar befindet sich vis-à-vis der berühmten Schüppeleiche, der ältesten Eiche auf Kantonsgebiet. Ihr Alter wird auf etwa 650 Jahre geschätzt. Erst vor ein paar Jahren wurde das Holz des gekreuzigten Jesus restauriert und die Inschrift auf dem steinernen Teil erneuert, sodass sie wieder deutlich sichtbar ist: «Er stiftete Frieden durch das Blut seines Kreuzes.» Über der Inschrift befinden sich die zwei ineinander verschlungenen griechischen Buchstaben Chi und Rho, die Anfangsbuchstaben für Christus. Da sie aussehen wie P und X, wurden sie später auch zum lateinischen «pax» (Frieden) umgedeutet. Erwähnenswert ist auch das Kreuz in Wiesholz, neben dem sich ein Bildstock mit den Figuren der Gottesmutter und der heiligen Bernadette von Lourdes befindet.

Stiftung trägt Sorge
Seit dem Jahr 2006 besteht die Stiftung Feldkreuze. Sie arbeitet eng mit der Schaffhauser Denkmalpflege zusammen, da die Kreuze als schutzwürdige, kulturgeschichtliche Kleindenkmäler gelten. Durch die Zusammenarbeit kann die Stiftung auf die fachliche Unterstützung der Denkmalpflegerin und auf die finanzielle Unterstützung des Kantons zurückgreifen. «Ihr Zweck besteht darin, die Feldkreuze in Ramsen zu unterhalten und das Land darum herum zu pflegen – beispielsweise durch regelmässiges Mähen und Schmücken mit Blumen», sagt Michael Truniger. Die Feldkreuze, die auf privatem Grund stehen, werden liebevoll gepflegt. «Manchmal gibt es Leute, die mit dem Velo zu einem bestimmten Kreuz fahren und dort eine Kerze oder Blumen niederlegen», erzählt der Mesmer und deutet damit an, dass die Dorfbevölkerung mit ihren kostbaren Feldkreuzen verbunden ist. 

Béatrice Eigenmann, forumKirche, 13.03.2024
 

Michael Truniger von der Stiftung Feldkreuze neben seinem Lieblingskreuz bei der Schüppeleiche
Quelle: Béatrice Eigenmann
Michael Truniger von der Stiftung Feldkreuze neben seinem Lieblingskreuz bei der Schüppeleiche